[Rezension] Magdas Apokalypse

Angenommen, du bist 13 und man erklärt dir an deinem Geburtstag, deine Welt würde in genau einem Jahr untergehen. Was würdest du tun? Diese Frage stellt der neue Comic Magdas Apokalypsee von Chloé Vollmer-Lo und Carole Maurel aus dem Hause Splitter.

Magda hat beste Freundinnen, eine Familie und die normalen Probleme einer Heranwachsenden. Eigentlich hat sie auch noch alle Zeit der Welt, um damit klar zu kommen. Wie jeder von uns in diesem Alter, weis sie noch nicht so recht, wohin mit sich. Die Entscheidung über die Zukunft wird ihr und dem Rest der Menschheit allerdings auf brutale Art und Weise abgenommen. Die Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig, auf welche Art und Weise, aber wir haben es endgültig geschafft: Die Erde steht vor dem Kollaps. Ein Jahr gibt man dem blauen Planeten noch bis zum Ende.

Der Zerfall der Gesellschaft geschieht zunächst schleichend, dann immer rabiater. In der Schule stellt sich eine schrumpfende Anzahl Lehrer dem Trotz der Schüler, die irgendwann nicht mehr einsehen, warum sie für die letzten Monate ihres Lebens noch etwas lernen sollen. Andere Schüler kommen gar nicht mehr oder werden von ihren Eltern mitgenommen auf lange Reisen. Irgendwann brennt die Schule nieder. Im Laufe des Jahres gleicht das Szenario immer mehr einer Dystopie. Stromausfälle, das Essen wird knapp. Mitarbeiter an zentralen Stellen beschließen, in den letzten Monaten ihres Lebens die Arbeit nieder zu legen und zu tun, was sie schon immer mal tun wollten. Nicht nur sie, auch Magda fühlt sich vom Schicksal um viele Jahre betrogen. Ihr Vater zieht zu seiner Geliebten, ihre Mutter hat Stimmungsschwankungen. Gemeinsam mit ihrem besten Freund beschließt auch sie, vieles vor ihrem Tod noch erleben zu wollen. Sie werden für einige Zeit ein Liebespaar, bis Leon, der eh aus instabilen Verhältnissen kommt, vollendens zusammenbricht. Nicht nur für ihn ist das Leben eine unbekannte Herausforderung geworden.

In mitten des Chaos des eigenen Erwachsen werden versucht das junge Mädchen, das richtige zu tun und wird dabei immer wieder zum Spielball anderer Leute. In dem Moment, in dem ihre Welt aus den Fugen gerät, wird sie im Grunde gezwungen, die Entscheidungen einer Erwachsenen zu treffen. Es entwickelt eine Sogwirkung auf sie, wie auch auf den Leser. Mir kommt dabei ein Zitat aus Demian von Herman Hesse immer in den Sinn: Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so schwer?
Ohne es zu merken verliert sie den Halt und die Kontrolle. Von ihrer Familie lässt sie sich nichts mehr sagen und verliert mit ihren Freunden nach und nach auch noch die letzten Verbindungen zu einer stabilen Realität.

Die Graphic Novel ist nachdenklich, gefühlvoll und auf ihre Art und Weise beklemmend. Sie kommt ohne viele Gewaltszenen und poppige Farben aus. Grade die Hauptperson ist liebevoll gezeichnet und ihre und anderer Charaktere Handlungen sind zutiefst menschlich. Trotzdem ist die Geschichte hart. Unweigerlich vergleicht man sie mit der eigenen Situation, Familie und Freunden. Wie würde man selber und sie reagieren? Ein wenig erinnert mich die Situation auch an unsere, immer schneller werdende Gesellschaft und deren immer früher erwachsen werdenden Kinder. Die drohende Apokalypse zwingt Magda zu einem Leben auf der mentalen Überholspur, bei dem sie irgendwann kaum noch mithalten kann.

Auch wenn die Hauptperson erst 13 ist, so ist dieses Buch definitiv nichts für Kinder. Vor allem das Ende, das ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten möchte, setzt einen aufwühlenden Punkt hinter eine lange Reihe von Anspielungen und Zwischentönen. Der Satz ist ein wandelndes Klischee, aber ich konnte die Graphic Novel wirklich nicht mehr aus der Hand legen. Vor allem auch, weil direkt am Anfang ein Teil des Endes zwar vorweg genommen wird, man aber ständig damit rechnet, dass das nicht alles sein kann.

Magdas Apokalypse ist eine Dystopie und Coming-of-Age Geschichte der anderen Art. Sie hat mir grade wegen ihrer Nachdenklichkeit sehr gut gefallen.


Magdas Apokalypse
Aus dem Französischen von Monja Reichert
Erschienen am 22.Oktober 2017
192 Seiten, Hardcover
Preis 24,80 €
ISBN 978-3-96219-026-2

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Über die Autorin

Diese Geschichte ist das erste Werk der Autorin Chloé Vollmer-Lo. Sie ist 1988 in Frankreich geboren und von Hause aus eigentlich Fotografin.

Über die Zeichnerin

Carole Maurel ist Baujah 1980 ebenfalls in Frankreich und hat schon an einigen Comics mitgearbeitet.

 

Vielen Dank an dieser Stelle, das der Verlag auf meine Anfrage nach einem Leseexemplar positiv reagiert hat.

 

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