[Rezension] Das Erwachen des Feuers

„Blau ist für den Geist.
Grün ist für den Körper.
Rot für das Feuer.
Schwarz für die Kraft.“
(Das Erwachen des Feuers)

 
Es geht nicht besonders friedlich zu in Ryans neuem Werk: Da wird geschossen und gebombt, duelliert und gejagt, durch Städte, Dschungel und über den Ozean. Wiedereinmal bewegen wir uns in einer Welt, die grade eben in den tiefen Abgrund einer Reihe von Kriegen fällt und den Protagonisten einiges abverlangt. 
 
Diese Welt ist geprägt von zwei konkurrierenden Lebensweisen. Dem corvantinischen Kaiserreich, altmodisch traditionell, und dem modernen Mandinorien. 
Jahrelang lechzten beide nach Drachenblut. Beschönigend „Produkt“ genannt, verleiht es Blutgesegneten für kurze Zeit nach der Einnahme besondere Fähigkeiten. Nicht jeder ist dazu in der Lage, Menschen ohne die Veranlagung sterben bei dem Versuch. Jedes Jahr wird das Blutlos abgehalten, bei dem Kinder eine kleine Menge Produkt auf die Hand bekommen um zu testen, ob sie darauf reagieren.
Mandinorien ist durch das Blut groß geworden und immer noch führend bei der Forschung und Verarbeitung. 
Um die Gewinnung des Blutes hat sich eine ganze Gesellschaftsschicht gebildet. Kleine Gilden von Jägern und Abenteurern brechen regelmäßig auf, um die Grünen, Blauen, Roten oder Schwarzen zu erlegen und ‚Das Produkt zu ernten‘. Es gibt Zuchtstationen in den größeren Städten, allerdings mit weniger befriedigeren Ergebnissen. Tüftler, Agenten, Handelsgesellschaften — Sie alle leben von und mit dem Drachenblut.
Doch das fragile Gleichgewicht zwischen den Nationen ist in Gefahr, denn die Ressource wird immer knapper. Die Drachen, jahrhundertelang gejagt, sterben langsam aus, ihre gezüchteten Artgenossen werden immer schwächer. Ein großer Krieg scheint beinahe unausweichlich. In dieser Situation liegen die Hoffnungen auf einem Mythos — Und unseren Protagonisten. 
 
Da ist Lizanne Lethridge,  blutgesegnete Tochter eines berühmten Vaters und Agentin der Mandinorianer. Sie wird zu einem geheimnisvollen Auftrag gerufen um Informationen über eine Drachenrasse zu suchen, die man bislang für eine reine Legende hielt.
Da ist Claydon Torcreek, Dieb und unregistrierter Blutgesegneter aus dem Blinden Viertel Kerberhafens, der mehr oder weniger freiwillig für eine Mission tief in das Innere des Kontinents verpflichtet wird. 
Und da ist Corrick Hillmore, der frisch als Leutnant auf einem neuartigen Blutbrenner anheuert und mit ihm  in den Krieg mit dem corvantinischen Kaiserreich aufbricht. Ausführliche Seeschlachten inklusive. 
 
Ryan schafft es, von Anfang an mit neuen Begriffen zu arbeiten, ohne dass man den Bezug zur Welt verliert. Die Beschreibungen sind fremdartig und doch vertraut, Begriffe wie Aktionäre, Syndikat oder Eisenbootgesellschaft lassen schnell ein Steampunk angehauchtes Gefühl entstehen.  Die meisten Schlachten werden mittlerweile mit Kanonen und Gewehren geschlagen, die zum Teil aus der Werkstatt des genialen Tüftlers Jeremyah stammen. Während dessen fühlen sich die Eigenschaften des Drachenblutes eher wie Magie an. 
Das Buch benötigt auf jeden Fall einige Seiten, um Fahrt aufzunehmen. Das finde ich bei dem Beginn einer Trilogie in Ordnung, vor allem weil man merkt, dass Anthony Ryan sich Mühe mit der Erschaffung seiner Welt gemacht hat. Dafür werden wir belohnt mit einer flüssig zu lesenden, schönen Sprache und vielschichtigen Charakteren. 
 
Etwas negativ ist mir persönlich dann doch die Vielzahl an Schlachten aufgefallen, auch wenn sie ins Setting passen. Meistens bekommt der Autor aber noch rechtzeitig die Kurve, bevor es zu viel wird. Abgesehen davon kommen ein oder zwei Wendungen nicht völlig unerwartet, aber ich bin sehr gespannt, was die Geschichte der nächsten beiden Bände sein wird. 
 
Alles in allem hinterlässt es ein gutes Gefühl, dieses Buch zu lesen. Es weicht definitiv ab von den üblichen Fantasyromanen und behandelt mit dem Thema der Drachen endlich mal wieder eine Rasse, die es in letzter Zeit in diesem Genre nicht ganz einfach hatte. Die Welt wirkt durchdacht, die Abenteuergeschichte erinnert an alte Bücher wie „Robinson Crusoe“ oder die Besiedlung Südamerikas (wegen dem Dschungel).  Das Buch an sich ist ein solides Hardcover mit Karte, die man grade am Anfang öfters zu rate zieht. 
Und ich bleibe dabei: Anthony Ryan ist einer der besten Fantasy-Autoren der Gegenwart. 


Draconis Memoria 1 – Das Erwachen des Feuers
Erschienen am 09 September 2017
752 Seiten, gebunden
Preis 25€
ISBN: 978-3-608-94974-2

Das könnte dir auch gefallen:
Die Mächte des Feuers von Markus Heitz

 

 

Über den Autor

Anthony Ryan ist Baujahr 1970, gebürtiger Schotte, der lange in London lebt. Nach seinem erfolgreichen Debut Das Lied des Blutes ist er heute Vollzeitautor. Aktuell schreibt er am dritten Teil der Draconis Memorio Reihe. Auf seiner englischsprachigen Homepage finden sich viel Zusatzmaterial und Informationen zu seinen Büchern. 

Schreibe einen Kommentar